Patric P. Kutscher, ehemaliger ARD Sprecher, Coach, Begründer des Instituts für Stimme und Rhetorik hält einen Vortrag. Nicht über Körpersprache und Rhetorik. Oder: Wie schule ich meine Stimme! Sein Titel lautet: Wege zur entspannten Kindererziehung. Wo: im Europa-Park. Könnten Sie sich einen Ort vorstellen, der besser für dieses Thema geeignet ist? Denn wer viele strahlende Kinderaugen sehen will, muss nur ein paar Schritte gehen. Doch das ist nicht der Alltag, denn der ist gepflastert mit den kleinen und großen Problemen die es tagtäglich zu lösen gibt.
Nach einer Reportage im „Stern“ werden in diesem Jahr knapp 680.000 Kinder geboren werden. Das sind rund einhundertausend weniger als vor zehn Jahren. Kinder sind etwas Besonderes geworden. Wir machen uns immer mehr Gedanken über ihre Erziehung, über ihre Ernährung, über ihre Schulbildung, wir springen um sie herum, wie um das goldene Kalb.
Zugegeben, Kinder sind das wichtigste im Leben. Kinder sind unsere Zukunft. Sie zu fördern, zu umsorgen, zu behüten, unendlich zu lieben, ist völlig richtig. Doch verlieren wir nicht manchmal das richtige Maß? Sind wir zu verunsichert von etlichen unterschiedlichen Erziehungsstilen? Haben wir einfach das Gefühl dafür verloren, was ein Kind darf und was nicht? Kindererziehung ist das Thema schlechthin. Eine Reportage folgt der nächsten. Ein Statement nach dem anderen von Kinderpsychologen, Pädagogen, Erzieherinnen. Und jetzt auch noch Patric P. Kutscher. Seine Qualifikation: Praktizierender Vater, viel Erfahrung, ein gesunder Menschenverstand, die Begabung, für komplizierte Vorgänge einfache Lösungen zu finden und spritzig und launig zu referieren. Extra für den Europa-Park hat er seine eigene Kindheit, seinen Erziehungsstil reflektiert und aufgezeichnet.
Am 27. Mai brilliert er mit handfesten Tipps. Das Publikum ist jung, teilweise sogar sehr jung, denn zwei Babys liegen friedlich in ihren Buggys und schlafen, während ihre Eltern überlegen, wie sie ihre heiß geliebte Brut vernünftig erziehen sollen.
„Erziehung und erziehen bedeutet, jemandes Geist und Charakter zu bilden und seine Entwicklung zu fördern. Im Allgemeinen versteht man unter Erziehung soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst und absichtlich herbeiführen und unterstützen will, um relativ dauerhafte Veränderungen des Verhaltens zu erreichen, die bestimmten, vorher festgelegten, Erziehungszielen entsprechen… Perspektive der modernen (westlichen) Erziehung ist die mündige, eigenständig handelnde und emanzipierte Person, die ihr Leben gestalten und planen kann. Sie hat einen eigenen Lebensmittelpunkt, der Einflüsse und Reize verarbeitet und für seine eigene Lebensplanung nutzbar macht. Insofern sind die Ziele der Erziehung nach heutigem Verständnis individueller Kompetenzzuwachs, differenziertere Handlungsfähigkeit, letztlich Mündigkeit, Selbstbestimmtheit und Emanzipation….“so steht es im Wikipedia, der freien Enzyklopädie .
Hört sich gut an, doch wie sieht die Praxis aus? Hier einige Beispiele: Sie kommen nach Hause und Ihre Tochter sitzt vor dem Fernseher, obwohl eine klare Regelung besteht. Fernsehen um diese Zeit ist tabu. Bloß jetzt nicht eine Diskussion anfangen: „Warum schaust Du fern?“, dann haben sie verloren. Denn die Antwort Ihres aufgeweckten Sprösslings lautet garantiert: „Oh Pappi, bitte, bitte, nur noch diese Sendung, die ist sooo süß…“ Und dann? Wer kann da widerstehen? Der Rat aus der Praxis: Erst den Fernseher ausstellen und dann fragen: „Was soll das?“
Denken Sie an Ihre Mimik, Ihre Körpersprache und Ihre Stimme. Lächelnd und strahlend und mit hoher Stimme „nein“ zu sagen, bringt überhaupt nichts, denn eigentlich signalisieren Sie ein ja! Stehen Sie zu Ihrem „nein“ und zwar mit dem Körper, mit der Mimik und Ihrer Stimme.
Konsequent bleiben. Was angedroht wird, auch ausführen! Werden Sie nicht der Freund Ihres Kindes, die Rolle gehört in die Welt der Erwachsenen. Sie müssen sagen, wo es lang geht, Sie sitzen am Steuer und lenken – und nicht Ihr Kind. Nur so kann es sich entwickeln. Nur so hat es die Chance nicht egoistisch, fordernd, ständig maulend, unzufrieden und ein unerträglicher Tyrann zu werden.
Wenn gleich starke Kinder sich zanken, greifen Sie möglichst nicht ein. Doch wenn ein größeres Kind auf dem Schulhof immer wieder auf die Kleinen geht, handeln Sie. Sprechen Sie mit den Eltern, mit dem Lehrer . Zeigen Sie Rückrat. Kinder brauchen Rituale, viel Vorlesen, wenig Fernsehen und feste Schlafenszeiten.
Erledigen Sie die Hausarbeit gemeinsam mit Ihrem Kind und zwar so früh wie möglich. Gerade wenn Sie berufstätig sind, gewinnen Sie gemeinsam verbrachte Zeit – auch wenn es am Anfang doppelt so lange dauert, als wenn Sie es schnell allein erledigen würden.
Sie stellen die Regeln auf, Sie entscheiden, dass Lackschuhe nicht für Schnee und Eis gemacht worden sind. Ohne großes Geschrei, funktioniert das ungefähr so: „Wenn wir essen gehen, dann darfst Du die Lackschuhe anziehen, ich fahr dann direkt mit dem Auto vor das Lokal, doch jetzt ziehst Du die Winterschuhe an!“
Knapp 120 junge Mütter, Väter, werdende Mütter, einige Großeltern haben Fragen über Fragen, notieren das 7-Punkte-Programm von Patric P. Kutscher und verstehen jedes Wort. Denn hier ist ein Praktiker am Werk mit einer gesunden Basis von theoretischem Wissen – und nicht umgekehrt.
Wie gesagt, es gibt wohl keinen Ort, der besser für dieses Thema geeignet ist, als der Europa-Park. Ein Ort der unendlich viele Kinder tagtäglich glücklich macht. Vielleicht hat es Patric P. Kutscher mit seinem Vortrag geschafft, etwas von dem Glück mit nach Hause, mit in den Alltag seiner Zuhörer zu geben. Und vielleicht wird der Blick auf eine kleine, blühende Blume, die jeder als kleines Geschenk mitnimmt, helfen, in schwierigen Situationen die richtige Lösung abzurufen.