Die Rampe nimmt er mit Schwung. Kraftvoll packt er zu und landet genau dort, wo er will. 200 Augenpaare sind auf ihn gerichtet. Der junge, sehr schlanke Mann nimmt Kontakt auf. Von der Bühne herab und im sitzen. Dann lacht er und zeigt auf das erste Bild. Da sitzt er in seinem Rollstuhl, vor ihm ein nicht enden wollender, staubiger, steiniger Weg.
Europa-Park, 24. September, 19.30 Uhr, Hotel Santa Isabel. Im Rahmen der Vortragsreihe „Neue Perspektiven“ hat Marianne Mack zu einem Vortrag der besonderen Art eingeladen. Das Thema des Abends: Der Jakobsweg – 2.500 km alleine und im Rollstuhl. Der Referent: Felix Bernhard, 35 Jahre jung und mit Handicap. Ab dem 5. Wirbel ist er nach einem schweren Motorradunfall gelähmt und kann nur noch 40 Prozent seiner Muskeln bewusst steuern – doch von denen verlangt er 100 Prozent.
Keine Frage: Es geht um das Pilgern. Um das spirituelle Erleben, um die Natur, die Stille, um Freiheit und um frische Luft, die so ganz anders schmeckt. Es geht um die Bewältigung von Hindernissen, die für Wanderer einen großen Schritt bedeuten, für einen Rollstuhlfahrer aber fast unüberwindlich sind. Mal sind es große Steinbrocken, die ihm an einer engen, von Felswänden begrenzten Stelle den Weg versperren. Dann wieder eine 80 cm hohe Schwelle. In Deutschland würde er jetzt umkehren und diese Stelle meiden wie die Pest. Doch auf dem Jakobsweg gibt es nur eine Richtung. Felix Bernhard hangelt sich aus dem Rollstuhl, setzt sich auf die Schwelle, zieht den Rollstuhl hoch und setzt sich dann wieder hinein. Dann geht es bergab und Felix Bernhard fliegt. Das Leben ist schön….
Die Gesichter der Zuhörer sprechen Bände. Wow, was für eine körperliche Leistung. Doch den Körper zu trainieren, ist nur die halbe Wahrheit. Es geht um „Neue Perspektiven“ für Körper, Seele und Geist. Der Weg hat ein Ziel: Felix Bernhard will Grenzen verschieben, Ängste überwinden und Wunder erleben. Mit im Gepäck ist die Suche nach Antworten auf drängende Fragen, ist eine Last, die er loswerden will. Felix ist allein unterwegs. Keiner seiner Freunde wollte mit. Und doch ist jemand bei ihm. Es ist sein Vater. Erst vor ein paar Monaten qualvoll gestorben, will Felix mit ihm Frieden schließen, einfach klären, was noch zwischen ihnen steht. In den vielen, einsamen Stunden ist reichlich Zeit dazu. Felix macht einen Schritt nach dem anderen. Mit jedem Kilometer klären sich die Dinge – wenn sie nicht gerade wieder durch mühselige Wegstrecken unterbrochen werden, die dann friedliche Gedanken in ziemlich wüste verwandeln.
„In fünf Jahren kann ich wieder laufen, daran habe ich die erste Zeit nach dem Unfall wie Supermann-Darsteller Christopher Reeve fest geglaubt“, sagt Felix. Auch nach 16 Jahren im Rollstuhl ist die Hoffnung noch da und es ist ihm überhaupt nicht egal. Doch sein zweites Ziel, ein selbständiges, unabhängiges Leben zu führen, hat er erreicht. „Das wichtigste ist, die Barriere im Kopf zu überwinden. Heute arbeitet der Rollstuhl für mich und ich komme überall hin, wo ich hin will – auch wenn ich manchmal um Hilfe bitten muss.“ Man muss aktiv damit umgehen, damit ringen und damit wachsen. Reifer werden, größer werden, wachsen wie eine Pflanze! „Die meisten Dinge kann man sich antrainieren. Was mir hilft ist Disziplin und auch mal an die Schmerzgrenze zu gehen, sich zu überwinden und manchmal hart gegen sich selbst zu sein“. Nicht Selbstdarstellung, sondern einfach Mut zu machen, ist seine Mission.
Der Vortrag ist zu Ende. Die Rampe runter ist fast wie fliegen. Die Mission ist erfüllt. Felix Bernhard wird umringt von Menschen, die etwas von seiner Fröhlichkeit, Zuversicht, seiner guten Laune und seinem starken Willen mit nach Hause nehmen möchten. Sie haben verstanden, was er sagen will: „Gehe einfach den nächsten Schritt und mach Dich auf Deinen ureigenen Weg! Heute noch!“
Ehrenamtliches Engagement
Felix Bernhard ist am 15. September ehrenamtlich unterwegs. Für diesen Vortrag erhält er kein Honorar. Mit den Eintrittsgeldern des Abends werden über den Förderverein Santa Isabel e.V. – neue Perspektiven – ein kleiner, schwerstbehinderter Junge und eine junge Frau im Wachkoma unterstützt, die von ihren Familien liebevoll versorgt und gepflegt werden und oft am Ende ihrer physischen, psychischen und finanziellen Kräfte sind. Die weit über die Region bekannte und beliebte Vortragsreihe „Neue Perspektiven“ unter der Leitung von Marianne Mack und begleitet von ` typisch frau` -Autorin Barbara Dickmann läuft jetzt im fünften Jahr. Von Anfang an wird sinnvoll, schnell, unkompliziert und ohne großes Aufsehen dort geholfen, wo es bitter nötig ist.
Noch Fragen?
Mut zu machen, ist seine Mission. Felix Bernhard erreichen Sie unter felix@felixbernhard.de. Er beantwortet gerne Ihre Fragen.