Unser Thema ist grün – nicht rot und nicht grau. Doch dabei handelt es sich nicht um den neuesten Style der kommenden Winterkollektion, sondern um diese schwierige Geschichte, die sich Gentechnik nennt, irgendwie ein mulmiges Gefühl erzeugt und in drei große Anwendungsgebiete unterteilt wird. Die grüne Gentechnik bezeichnet die Bereiche Landwirtschaft, Lebensmittel, Pflanzenzüchtung, die rote soll der Medizin zur Heilung von Krankheiten dienen und die graue ist für industrielle Zwecke. Die Gemüter streiten sich. Es gibt jede Menge Befürworter und jede Menge Gegner. 78 Prozent der Deutschen lehnen Gentechnik grundsätzlich ab, aber 80 Prozent sind offen, wenn es um die Heilung von Krankheiten geht.
Am 12. September referiert Heike Solweig-Bleuel in Europa-Park im Rahmen von Marianne Macks ehrenamtlicher Vortragsreihe „Neue Perspektiven“ über die grüne Gentechnik. „Ist sie Segen oder Fluch?“ fragt die Diplom-Biologin, die seit über 16 Jahren Forschung und Entwicklung verfolgt. Diese Technik dürfe man sich nicht entgehen lassen, sie birgt ungeahnte Chancen, höhere Erträge durch eingebaute Schädlingsgifte und Krankheitsresistenz und würde den Welthunger stillen. Außerdem sei sie kontrollierbar, beherrschbar, reproduzierbar und sicher, sagen die Befürworter.
„Doch wie funktioniert eigentlich Gentechnik?“ fragen sich gut 50 Zuhörer im Saal. Und das versucht die Biologin verständlich zu erklären. Also: Bei der grünen Gentechnik werden Erbanlagen von Organismen durch gentechnische Methoden gezielt verändert. Gene werden zwischen verschiedenen Arten übertragen, um Tieren oder Pflanzen bestimmte Eigenschaften zu geben, die mit traditioneller Züchtung nicht zu erreichen sind. „Die eierlegende Wollmilchsau schafft man nicht“, erklärt Heike Solweig-Bleuel. Doch dafür kann man heute schon durch den Transfer von einzelnen Genen Hasen, Schweine oder Fische strahlen lassen, indem sie das „Leuchtgen“ einer Qualle erhalten. Oder Lachse mit dem „Antifrostgen“ einer Flunder ausstatten, die dann auch in eiskalten Gewässern nicht erfrieren würde. Doch das „Antifrostgen“ bewirkt auch, dass der Lachs um 600 Prozent größer wird als ein „normaler“ und genau aus diesem Grund ist die Zulassung noch nicht durch, denn ob das wirklich ein Vorteil ist und wie es auf den Menschen wirkt, wenn er diesen Lachs auf dem Teller liegen hat, ist noch nicht geklärt.
Während die graue Gentechnik mit ihren gentechnisch veränderten Zusatzstoffen für die Biologin kein Problem ist, sieht es in der grünen ganz anders aus. Negativ-Studien häufen sich. So sei zwar nach einer Studie der Uni Zürich Gtv (Gen veränderter) Weizen im Gewächshaus widerstandsfähig gegen Mehltau und bringe 60 Prozent mehr Ertrag, doch im Freiland angebaut, sieht die Sache ganz anders aus. Hier sei der Ertrag um 50 Prozent gefallen und ein extremer Befall mit Mutterkorn festgestellt worden, gegen den der Weizen eigentlich vorher resistent war. Also ein Tausch von Negativ zu Negativ. „Die Uni Zürich will keinen weiteren Versuch mehr unternehmen“, erklärt die Biologin. Und Gen-Pflanzen kennen keine Ackergrenzen. Raps-Pollen können bis zu 26 Kilometer weit fliegen, Mais bis zu 800 Meter, doch der Sicherheitsabstand zwischen Gen-Pflanzen und konventionellen beträgt zwischen 150 und 300 Meter, wobei private Absprachen möglich sind.
Und das Landwirte den Himmel auf Erden haben, weniger Pestizide sprühen müssen, ist noch lange nicht erwiesen. Erfahrungen in Ländern wie USA und Argentinien zeigen nach mehreren Jahren genau das Gegenteil, zusätzlich sind die Farmer auf die Konzerne, die die Patente halten, angewiesen und müssen Jahr für Jahr das Saatgut kaufen.
Doch wie sieht es hier in Deutschland und was essen wir tagtäglich? fragen sich die Zuhörer, unter ihnen viele junge Familien, die an die Gesundheit ihrer Kinder denken.
„In Deutschland sind Zuckerrüben, Mais und Soja zugelassen und die dienen fast ausschließlich als Tierfutter“, erklärt die Biologin. Doch schon schauen einige Zuschauer skeptisch. Und was ist, wenn wir die Tiere essen, die wieder mit Gen verändertem Mais gefüttert worden sind? Das ist die große Frage, die keiner so wirklich beantworten kann. Doch gegen den Welthunger gibt es für Heike Solweig-Bleuel nur eine wirklich richtige Maßnahme: einfach weniger Fleisch essen und genau schauen, woher es kommt. Denn 1.750 Gramm Getreide ergeben gerade Mal einen Liter Milch oder 220 Gramm Fleisch.
Fazit dieses Abends, der nachdenklich stimmt: bewusster einkaufen, bewusster essen, mal wieder auf den Markt gehen und genau nachfragen und bei Schokolade die Inhaltsstoffe lesen, wenn es einem wichtig ist, denn manche enthalten Spuren von Gen veränderten Pflanzen. Die Gentechnik nicht verteufeln, doch weiter forschen und nicht ungebremst weiterfahren.