Drei kleine Jungen, 5 und 6 Jahre alt, planschen in einem Erlebnisbad. Bald mischt sich ein Erwachsener ein. Er hat die besten Ideen, die tollsten Einfälle. Es hat noch mehr Spaß gemacht. Nicht allzu lange. Plötzlich gehen die Hände des Mannes – am Anfang wie aus Versehen, dann aber immer häufiger und intensiver – da hin, wo sie nichts zu suchen haben: Beim Hochheben rein in die Badehöschen der Kinder. Er befummelt sie so, dass sich die zahlreichen Erwachsenen im Bad darüber empören. Sie stehen zusammen, tuscheln über das Geschehen, sind entrüstet, empört. Sie sehen dann, wie der Mann mit einem der Kinder in einer Umkleidekabine verschwindet. Es kommt dort zu massivem sexuellen Missbrauch des Jungen. Nach einiger Zeit führt er den zweiten Jungen in eine Umkleidekabine. Es kommt zum zweiten Mal zu sexuellen Handlungen. Durch die Aussagen eines Kindes gegenüber seiner Mutter wird der Täter festgenommen. Er hat zur fraglichen Zeit in 5 verschiedenen Bädern insgesamt 13 Jungen massiv sexuell missbraucht und war einschlägig vorbestraft. Hier die Aussagen der Erwachsenen, die dann als Zeugen befragt wurden: „Ich habe mich auch gewundert, dass niemand etwas unternommen hat…“, „Mich selbst ging das ja nichts an…“, „Der Bademeister hätte einschreiten müssen…“, „Ich wollte keinen zu Unrecht verdächtigen..“, „Ich dachte, es wird schon nichts Schlimmes passieren…“. Eine Frage: Was hätten Sie gemacht?
10. März , 19.30 Uhr, Europa-Park, Raum La Scala im Hotel „Colosseo“. Marianne Mack, Initiatorin der erfolgreichen Vortragsreihe „Neue Perspektiven“ eröffnet die Veranstaltung: „Unsere Kinder sind das Kostbarste auf der Welt. Wir lieben sie bis zum letzten Atemzug. Wenn es uns durch diesen Vortrag gelingt, nur eine einzige zarte Kinderseele, nur einen einzigen zarten Kinderkörper vor Verletzungen zu bewahren, wäre das einfach wunderbar.“ Ihre Worte werden von über 120 Menschen gehört, die bereit sind, sich einem Thema zu widmen, dass auf den Magen schlägt. Der Referent des Abends: Adolf Gallwitz, Medizin- und Polizeipsychologe, Prodekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät und Professor für Psychologie und Soziologie an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen. Sein Thema: „Wie schütze ich mein Kind vor Missbrauch?“ Adolf Gallwitz schockt: mit Bildern, mit Worten, mit Zahlen.
15.117 Fälle des sexuellen Missbrauchs an Kindern, 1903 von Schutzbefohlenen und 2745 Fälle wegen Besitz oder Verbreitung von Kinderpornografie in 2001. 7 % der Täter waren Kinder, 13 % Jugendliche, 6 % Heranwachsende und 74 % Erwachsene. 92 % der Opfer des vollendeten sexuellen Missbrauchs waren zwischen 6 und 14 Jahren, 74,7 % davon weiblich. Das ist das Hellfeld. Denn sexueller Missbrauch ist ein Tabu-Thema. Welches Kind zeigt den Vater, Onkel, Bruder an, wenn die Familie wegschaut oder gar Druck ausübt? Nein, nein, der Herr Doktor, der Pfarrer, der Erzieher, der Nachbar, der beste Freund tun so etwas nicht. Und letztendlich ist es das Opfer selbst, das völlig traumatisiert oft mit Sprachlosigkeit reagiert.
Wie das Dunkelfeld aussieht, kann man natürlich nicht mit Sicherheit sagen. In Deutschland wird davon ausgegangen, dass jedes 8. Mädchen und jeder 12. Junge mindestens einmal Opfer sexueller Übergriffe mit Körperkontakt wird. Es gibt eben nicht nur den versprengten Einzeltäter, der Kinder aus dem jeweiligen persönlichen Umfeld aufgreift. In unserem Land tummelt sich immer noch eine vielfach gut organisierte Pädophilen- und Päderastenszene, die in ihrem Ausmaß und in der Intensität ihres Handelns weit unterschätzt wird.
Phädophil ist aus dem Griechischen und bedeutet „Kinderliebe“ oder „Kinder lieb haben“, was schon geradezu ein Hohn ist, wenn man daran denkt, dass es den Tätern nicht um uneigennützige Liebe geht, sondern allein darum, die sehr eigennützigen, sexuellen Wünsche zu befriedigen. Phädophile sind Jäger – Kinderjäger. Sie haben Zeit, sie schleichen sich an, schleichen sich ein in das Vertrauen der Kinder, selektieren aus, bevor sie zuschlagen. Ihr Problem ist es nicht, „Grünzeug“ zu bekommen (so nennen sie das Wertvollste, was wir besitzen), ihr Problem ist es, sie wieder los zu werden, wenn sie in die Pubertät kommen. Aus den so „geliebten“ Kindern werden verletzte, schwer traumatisierte Erwachsene, die oft genug in irgendeiner Form weitergeben, was sie erlebt haben. Aus den Opfern werden Täter – und eine Kette beginnt.
Im Saal ist es still – man würde ein Blatt fallen hören. Die Gesichter der Zuhörer sind wie aus Stein gemeißelt. Es folgen Bilder – in schneller Reihenfolge. Süße lachende Kindergesichter! Sie heißen Andrea, Claudia, Sven, Monika, Sabine, Holger, Mandy, Angela, Ulli… Sie sind 10 Jahre alt oder 11 oder 13 oder erst 8 Jahre. Sie sind sexuell missbraucht worden und sie lachen nicht mehr. Sie sind tot oder schon seit Jahren vermisst, was auf das gleiche hinausläuft. Unsere Kinder sind bedroht. Die Gefahr lauert auf der Straße, in der Familie, in der Nachbarschaft und im Internet. Unterschätzen Sie nicht das Netz und seine unendlichen Möglichkeiten – Opferwerdung inklusive. Und vor allen Dingen: Informieren Sie sich, nehmen Sie sich die Zeit. Es gibt keine erfolgreiche Intervention, Prävention und Aufdeckung wenn Sie nicht wissen, wie die Täter vorgehen, welche Strategien sie haben. Erst dann können Sie Ihr Kind schützen. Bleiben Sie im Gespräch. Reden ehrlich, offen, schaffen Sie Vertrauen.